Die Akte Rollmops by Lindemann Hauke
Autor:Lindemann, Hauke
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783960411161
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2016-09-03T00:00:00+00:00
Auf der Lauer â Ãberführt â Wie man es auch anders regeln kann
Liane hatte keine Ruhe gehabt und war deswegen schon um zweiundzwanzig Uhr dreiÃig im Lindenweg. Bei den Reeses brannte zu der Zeit noch das Licht, ebenso in den beiden Häusern direkt gegenüber. Ansonsten schien in der Nachbarschaft schon überall die Nachtruhe Einzug gehalten zu haben â es sei denn, dass jemand darunter war, der gern im Dunkeln saÃ. Dort, wo keine AuÃenrollläden heruntergelassen waren, vermochte Liane jedenfalls nirgendwo das typische Licht von Fernsehern, Leselampen oder Kerzen auszumachen. Auch bei den Bargfredes, wo sie sich mit Saalfeld auf der Terrasse hinter den Pergolas verschanzen wollte, war bereits alles dunkel.
Liane betrat das Grundstück der Bargfredes, ging neben den Pergolas in die Hocke und behielt die Kreuzung im Auge. Die Wartezeit überbrückte sie mit Spekulationen, welcher ihrer beiden verbliebenen Verdächtigen nun schlussendlich derjenige sein würde, der sich durch ihre Geschichte dazu genötigt sah, ein paar verräterische Spuren aus der Welt zu schaffen. Ihr klarer Favorit war Maximilian Herzog. Malte hatte ihn tief verletzt, wieder und wieder, über Jahre hinweg. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Wunsch nach Rache für den lange zurückliegenden Freitod des Bruders schwerer wiegen sollte als der allzeit präsente und immer noch frische Schmerz der emotionalen Demütigung. Darüber hinaus wünschte sie es sich auch, denn sie hegte viel gröÃere Sympathie für Michael Klüver als für Max Herzog, der in erster Linie ein arroganter Lackaffe war.
Pünktlich um dreiundzwanzig Uhr stemmte sie sich wieder hoch â und wäre fast hingefallen, als sie versuchte, zur Kreuzung zu gehen. Die Beine waren ihr eingeschlafen, ohne dass sie es gemerkt hatte. Sie hielt sich an dem Eckpfosten der Pergola fest und schüttelte sich vorsichtig etwas Blut in die Beine. Das kurz darauf einsetzende Kribbeln, als hätte sich ein Ameisenvolk ihre Beine als neue Heimat erwählt, lieà sie leise aufstöhnen.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte Saalfeld leise, der plötzlich neben ihr stand.
Liane hatte seine Stimme gleich erkannt, erschrak aber trotzdem. »Doch, doch, alles bestens. Mir sind nur die Beine eingeschlafen. Das Gefühl, wenn das Blut langsam zurückflieÃt, ist echt ekelhaft«, flüsterte sie. »Geht aber schon wieder.«
Sie stieà sich von dem Pfosten ab und ging vorsichtig auf Saalfeld zu.
Erst jetzt nahm sie wahr, dass er, wie versprochen, in Uniform gekommen war â inklusive Dienstwaffe. Dass er ihr den angewinkelten Arm entgegenstreckte, damit sie sich bei ihm einhaken konnte, nahm sie ebenfalls wahr. Sie sah sich kurz um, schämte und verfluchte sich noch im selben Moment dafür, und hakte sich bei ihm ein, auch wenn das Taubheitsgefühl in den Beinen längst wieder verschwunden war.
Schweigend warf sie einen Kontrollblick in die Runde. Beim Haus schräg gegenüber von den Reeses war das Licht inzwischen auch gelöscht worden, ohne dass Liane es mitbekommen hatte. Auch im Haus der Reeses waren alle Lichter aus, wie vereinbart.
Gleich nachdem sie von Saalfeld heimgekehrt war, hatte sie Luise angerufen und ihr erklärt, dass es von enormer Wichtigkeit war, in dieser Nacht um spätestens elf Uhr kein Licht mehr brennen zu lassen. Luise hatte ihr dies sofort zugesichert, aber nicht wissen wollen, warum das so sein musste.
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